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AG Madry

Physiologie der Mikroglia im gesunden und erkrankten Gehirn

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Wissenschaftlicher Fokus

Images of a mouse hippocampal microglia captured at a single time point (left), and cumulatively over 20 minutes (right), show how it constantly surveys its environment (scale bar: 20 µm).
Foto: CM/UCL London
Images of a mouse hippocampal microglia captured at a single time point (left), and cumulatively over 20 minutes (right), show how it constantly surveys its environment (scale bar: 20 µm). Foto: CM/UCL London

Unser Forschungsschwerpunkt liegt in der Physiologie und Pathophysiologie der Mikroglia, den Immunzellen des Gehirns.

Mikroglia sind die angeborenen Immunzellen unseres Gehirns. Während Mikroglia hauptsächlich aufgrund ihrer zentralen immunologischen Funktion Bedeutung erlangt haben, hat sich diese Sichtweise durch enorme methodische Fortschritte und Wissenszuwächse insbesondere in der letzten Dekade grundlegend gewandelt. Zunehmend wird dabei ersichtlich, welch essentielle Rolle diese an der Schnittstelle zwischen Nerven- und Immunsystem gelegenen Gliazellen für die Entwicklung und Funktion des Gehirns ausüben, sowohl unter physiologischen und vor allem pathologischen Bedingungen. Mikroglia sind im gesunden Gehirn keineswegs nur passive Zuschauer im „stand-by“ Modus, sondern sie überwachen permanent das Hirngewebe mit ihren weitverzweigten und hochbeweglichen Zellfortsätzen - eine in dieser Form einzigartige Eigenschaft dieser Zellen. Dadurch interagieren die Mikroglia dynamisch mit Neuronen und anderen Zellen, was sie unter anderem dazu befähigt, stets die Funktion der Nervenzellen im Blick zu behalten und bei Störungen oder Verletzungen jedweder Art sofort zu reagieren. Oberstes Ziel der Mikroglia ist dabei, das Gehirn vor Pathogenen, Schädigungen oder Überlastung zu schützen und somit die Homöostase aufrechtzuerhalten. Aufgrund ihrer Fähigkeit, Veränderungen der neuronalen Aktivität wahrzunehmen, können Mikroglia auch gezielt neuronale Strukturen kontaktieren und Einfluss auf die synaptische Übertragung, Erregbarkeit und Plastizität von Neuronen nehmen. Infolgedessen kann auch die Funktion ganzer neuronaler Netzwerke verändert werden, mit direkten Auswirkungen auf die Informationsverarbeitung und das Verhalten.

Abgesehen von ihrer physiologischen Rolle sind die Mikroglia als wichtigster Immunzelltyp des Gehirns auch an fast allen neurologischen Erkrankungen beteiligt. Dies umfasst traumatische, ischämische, infektiöse, psychiatrische und neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Parkinson, an denen weltweit Millionen von Menschen leiden. Je nach Schwere und Dauer der Erkrankung können die Mikroglia jedoch ihre ursprünglich schützenden Eigenschaften auch verlieren und in einen schädigenden aktivierten Zustand übergehen, der das Fortschreiten von Krankheiten eher fördert anstatt einzudämmen. Aufgrund ihrer krankheitsbeeinflussenden Rolle werden mikrogliale Zielstrukturen auch seitens der pharmazeutischen Industrie zunehmend als potenziell wichtige therapeutische Interventionsmöglichkeit angesehen, was die aktuell steigende Zahl klinischer Studien mit mikroglialem Bezug belegt.

Im Speziellen richtet sich unser Forschungsansatz auf die funktionelle Rolle mikroglialer Rezeptoren und Ionenkanäle sowie deren assoziierte Signalwege. Übergeordnetes Ziel ist es zu verstehen, wie diese Strukturen und Mechanismen das Funktionsspektrum der Mikroglia regulieren und dadurch neuronale Funktionen bzw. Krankheitsprozesse beeinflussen.

Unser Forschungsansatz basiert auf drei zentralen Säulen unter Adressierung folgender Fragestellungen:

1. Untersuchung der physiologischen Wechselwirkungen zwischen Mikroglia und Nervenzellen

Welche Mechanismen regulieren die hohe Dynamik der Mikroglia, was eine wesentliche Grundvoraussetzung für deren Interaktion mit Nervenzellen ist?

Welche Konsequenzen hat ein Funktionsverlust bzw. das Ausschalten der gesamten Mikrogliapopulation auf die neuronale Entwicklung und Nervenzellfunktion?

Inwieweit beeinflussen Mikroglia erregende und hemmende Neurone und welche Auswirkungen hat dies auf die Funktion neuronaler Netzwerke?

2. Erforschung funktioneller Veränderungen von Mikroglia unter pathologischen Bedingungen im Kontext von Neurodegeneration

Welche Rolle spielen Ionenkanal-vermittelte Mechanismen bei der Synthese und Freisetzung entzündungsfördernder Substanzen (Zytokine) in aktivierter Mikroglia?

Inwieweit unterscheiden sich die elektrischen Membraneigenschaften von Mikroglia (und die Vielzahl davon abhängiger zellulärer Prozesse) unter neurodegenerativen Bedingungen in einem Tiermodell von Morbus Alzheimer im Vergleich zum gesunden Zustand?

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die pathophysiologische Funktion der Mikroglia und das Krankheitsgeschehen im Kontext der Alzheimer Erkrankung?

3. Translation der in Tiermodellen generierten Erkenntnisse in den humanen Kontext unter Verwendung von akut resektiertem menschlichen Hirngewebe

Welche morphologischen und funktionellen Unterschiede weisen Mikroglia in humanem Hirngewebe im Vergleich zur Maus auf?

Welches therapeutische Potenzial besitzen die hauptsächlich in Mausmodellen oder in Zellkultur identifizierten Mechanismen, welche die Aktivierung der Mikroglia und damit zerebrale Entzündungsprozesse regulieren?

In unseren bisherigen Arbeiten konnten unter anderem einen zentralen mikroglialen Signalweg identifizieren, der maßgeblich die hohe zerebrale Gewebemotilität und die Morphologie der Mikroglia reguliert, und darüber hinaus auch die Freisetzung pro-inflammatorischer Substanzen unter pathologischen Bedingungen kontrolliert (siehe Madry et al., Neuron 2018; Madry et al., PNAS 2018). Auf diesen Erkenntnissen aufbauend liegt ein aktueller Themenschwerpunkt unserer Forschung auf Untersuchungen zur Bedeutung dieser Mechanismen bei neurodegenerativen Erkrankungen sowie für die Regulation der Nervenzellfunktion (siehe Übersicht in Izquierdo et al., TINS 2019).

Zur Umsetzung dieser Ziele wenden wir ein breites Spektrum von state-of-the-art Techniken und Analysemethoden an, mit einem Schwerpunkt auf elektrophysiologischen (z.B. Patch-Clamp Ableitungen, Feldpotenzialmessungen), bildgebenden (z.B. Multi-Photonen und konfokale Mikroskopie) und molekularbiologischen Methoden (z.B. primäre Zellkultur, virale Expression, Immunhistochemie). Experimentell arbeiten wir hauptsächlich an Hirnschnittpräparaten der Maus sowie akut resektiertem humanen Hirngewebe unter Verwendung pharmakologischer und genetischer Werkzeuge, die zur Untersuchung spezifischer zellulärer Prozesse essentiell sind. Darüber hinaus bestehen interdisziplinäre Kollaborationen mit Arbeitsgruppen grundlagenmedizinischer und klinischer Fachgebiete innerhalb der Charité wie der Neuropathologie, Psychiatrie und Biochemie.

Unsere Projekte werden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), gemeinnützige Stiftungen (Alzheimer Forschung Initiative Deutschland) und industrielle Partner aus dem pharmazeutischen Bereich gefördert.

Anfragen zur Mitarbeit sowie zu aktuellen Projekten können gern an christian.madry@charite.de gerichtet werden.

Methoden

  • Patch-Clamp Elektrophysiologie von Mikroglia und Neuronen in Hirnschnitten der Maus und des Menschen
  • Multi-Photonen und konfokale Mikroskopie
  • Immunhistochemie und Enzyme-Linked Immunosorbent Assays (ELISA)
  • Verwendung verschiedener transgener Mausmodelle mit modifizierter Mikrogliafunktion sowie Modelle neurologischer Erkrankungen

 

Gruppenmitglieder

Ali Rifat (MD/PhD Student)

Michael Surala (PhD Student)

Ecem Tütüncü (MD/PhD Student)

Luna Zdravkovic (PhD Student)

Studierende

Tom Bickel (MD Student)

Publikationsliste

Publikationsliste in der Forschungsdatenbank der Charité

Ausgewählte Publikationen:

Izquierdo P, Attwell D, Madry C (2019) Ion channels and receptors as determinants of microglial function. Trends Neurosci. 42(4), 278-292 PubMed

Madry C, Kyrargyri V, Hamilton-Whitaker N, Arancibia-Carcamo I, Chan V and Attwell D. (2018)
Effects of the ecto-ATPase apyrase on microglial ramification and surveillance reflect cell depolarization not ATP depletion. Proc Natl Acad Sci U S A doi: 10.1073/pnas.1715354115. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29382767PubMed

Madry C, Jolivet R, Kyrargyri V, Arancibia-Carcamo I, Kohsaka S and Attwell D. (2017)
Microglial motility and interleukin-1β release are regulated by the K+ channel THIK-1
Neuron 97(2), 299-312. PubMed

Madry C and Attwell D. (2015)
Receptors, ion channels and signaling mechanisms underlying microglial dynamics.
J Biol Chem 290(20):12443-12450. PubMed

Madry C, Haglerod C and Attwell D. (2010)
The role of pannexin hemichannels in the anoxic depolarization of hippocampal pyramidal cells.
Brain 133(12):3755-3763. PubMed